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Aufzeichnungen und Briefe der Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges

 

Ausschnitt aus dem Bericht eines Offiziers über die Gefangenschaft in Norwegen und Frankreich

 

Die wichtigsten Nachrichten, die die Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs der Nachwelt hinterlassen haben, sind außer den mündlichen Erzählungen, die mit ihnen vergehen, ihre schriftlichen Aufzeichnungen: Tagebücher und Erlebnisberichte, längere oder kürzere Eintragungen in Notizbücher und Taschenkalender, ihre Briefe und Gedichte.

 

Bis in die Gegenwart werden weitere Erlebnisberichte veröffentlicht. Einige beruhen auf älteren Aufzeichnungen, mancher ehemalige Kriegsgefangene schreibt sich erst im hohen Alter seine damaligen Erlebnisse „von der Seele“. Die Kriegsgefangenschaft war eine besonders einschneidende Erfahrung, die in der Erinnerung noch sehr frisch ist, „als wäre es gestern gewesen“. Natürlich sind diese veröffentlichten Erlebnisberichte von sehr unterschiedlicher literarischer wie inhaltlicher Qualität. Historiker haben eine große Zahl von „Ehemaligen“ befragt und zu Aufzeichnungen angeregt oder Interviews mit dem Tonband aufgezeichnet.

 

Sammler wie Historiker werden sich besonders über neues authentisches Material, das während der Gefangenschaft oder doch kurz danach niedergeschrieben wurde, freuen. Manch einer führte in der Gefangenschaft ein Tagebuch, um sich zu beschäftigen, um Zeugnis abzulegen von einer schrecklichen Zeit, oft unter schwierigen Bedingungen (Mangel an Papier und Stiften) und der Angst vor Entdeckung. Nach der Heimkehr schrieben sie dann ihre Erinnerungen ins Reine, sie dabei oft umarbeitend, um sich selbst die Erlebnisse „vom Halse“ zu schreiben und meist auch mit Blick auf die Kinder und Enkel. Zur Veröffentlichung waren diese Tagebücher und Erinnerungen nie bestimmt. Hier ruht sicher noch manches vergessen in Schubladen oder auf Dachböden, um dann irgendwann einmal als für die Nachkommen uninteressantes oder überhaupt nicht mehr lesbares altes Papier auf dem Müll zu landen.

 

Originale Aufzeichnungen aus der Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion sind rar. Dort war anfangs der Papiermangel besonders stark; vor allem aber war es streng verboten, irgend etwas Geschriebenes mit nach Hause zu nehmen. Die Heimkehr wollte kaum jemand dafür riskieren, nur wenige haben sich getraut, etwas zu schmuggeln und sind dann damit auch durchgekommen. Auch für die Kriegsgefangenen in westlichem Gewahrsam war Tagebuchschreiben freilich ein gewisses Risiko, deshalb hielt sich mancher Schreiber doch in seinen Formulierungen zurück. Vor der Heimkehr mußte das Tagebuch durch die Zensur.

 

Karte eines Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion, 1946

 

Der Briefwechsel mit den Angehörigen war für die Kriegsgefangenen noch stärker als schon für die Soldaten im Feld die „Brücke zur Heimat“. Das Wissen darum, daß es der Familie noch gutging, daß sie noch an den Gefangenen dachte und auf ihn wartete, war für die seelische Verfassung der Kriegsgefangenen und ihren Willen, durchzuhalten und die Gefangenschaft zu überstehen, äußerst wichtig. Blieb die Post aus der Heimat für längere Zeit aus oder kamen schlechte Nachrichten – etwa daß die Frau nicht länger warten wollte und jemand anderen kennengelernt hatte – war das für die Kriegsgefangenen besonders schwer zu ertragen und raubte ihnen den Lebensmut.

 

Mit den Westmächten funktionierte der Austausch der Kriegsgefangenenpost bis Kriegsende befriedigend bis leidlich – immer wieder aber gab es Zeiten, zu denen sich die Post staute und monatelang liegenblieb. Nach dem Krieg versiegte zunächst jeder Postverkehr nach und von Deutschland wie auch im Lande selbst. Ab Ende 1945 kam dann der Postverkehr zwischen den Kriegsgefangenen und der Heimat wieder in Gang und verlief dann bald zuverlässig und kontinuierlich.

 

Karte aus der Sowjetunion, 1947

 

Anders war es bei den Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Die deutsche wie die sowjetische Regierung blockten bei einem Austausch der Kriegsgefangenenpost ab. Jahrelang blieben die Kriegsgefangenen ohne jede Verbindung mit ihren Angehörigen. Erst ab 1946 kam dann der Postverkehr der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion in Gang. Er blieb aber in jeder Hinsicht hinter dem der Kriegsgefangenen im Westen zurück: die Abstände, in denen geschrieben werden konnte, waren viel länger (in der Regel einmal im Monat), der zur Verfügung stehende Raum war wesentlich beschränkter (eine Karte, oft noch mit Begrenzung der Wortzahl) und die Verbindung sehr unzuverlässig.

 

Wegen der strengen Postzensur konnten die Kriegsgefangenen kaum etwas von ihrem Leben in der Gefangenschaft mitteilen; das gilt mehr oder weniger für alle Gewahrsamsstaaten. Angaben zu Lager und Lagerstandort, zu der zu leistenden Arbeit, über Angehörige der Gewahrsamsmacht, über irgendwelche Mißstände sowie natürlich Kritik waren nicht erlaubt. So wußte mancher nicht, was er überhaupt schreiben sollte. Für die Kriegsgefangenen war vor allem das Bewußtsein wichtig, daß es der Familie gut ging und daß sie auf ihn wartete, daß er nach der Heimkehr das gewohnte Leben von vor der Gefangenschaft bzw. von vor dem Krieg wieder weiterführen konnte. Die große Sehnsucht nach dieser Normalität beseelte alle Kriegsgefangenen, sie kommt in diesen Briefen besonders zum Ausdruck. Die ersehnte Heimkehr und das in den schönsten Farben ausgemalte Leben danach sind ein ganz wichtiges Thema in den Briefen.

 

„Der erste Brief“, Gedicht aus dem Notizbuch eines Kriegsgefangene

 im US-Lager 404 Septèmes bei Marseille

 

Viele Kriegsgefangenen interessierten sich für Gedichte – dabei auch viele, die vorher nie ein Gedicht angesehen hatten und es auch nach der Heimkehr wohl nicht mehr tun würden. Eifrig wurden nun Gedichte gesammelt und aufgeschrieben, die der eine oder der andere auswendig konnte oder die in einem der in das Lager geratenen Bücher standen. Und so mancher Kriegsgefangene versuchte sich auch selbst im Dichten – mit mehr oder weniger gutem Erfolg natürlich. Kaum etwas eignete sich so gut dafür, seine eigenen Gefühle auszudrücken, wie gerade das Gedicht mit seiner gebundenen Form, und das Bedürfnis, sich derart Ausdruck zu verleihen, verspürten viele unter den gegebenen Umständen. Eigene wie fremde Gedichte – von Kameraden wie von klassischen bis zu modernen Dichtern – wurden in Notizbüchern oder Kladden gesammelt.

 

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