Kriegsgefangene 2,
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Zensierter
Brief eines Kriegsgefangenen aus den USA, 1944
Die Zensur des größten Teils der Kriegsgefangenenpost wurde in den USA nicht von der für das Krieggefangenenwesen zuständigen Dienststelle, dem Amt des Provost Marshall General, durchgeführt, sondern nach dessen Richtlinien und in enger Abstimmung mit ihm von einer zivilen Behörde, dem Office of Censorship, dem ohnehin die Zensur der gesamten Auslandspost oblag. Diese Behörde beauftragte im Mai 1942 die Dienststelle des District Postal Censor von Chicago mit der Durchführung der Zensur, wofür eine eigene Kriegsgefangenenabteilung (Prisoner of War Department) eingerichtet wurde. Am 10. September 1942 zog die Behörde des District Postal Censor von Chicago nach New York um, am 3. November 1942 übernahm dieses Amt außer der Kontrolle der Kriegsgefangenen-Auslandskorrespondenz nun auch die Zensur der Inlandspost der Kriegsgefangenen, die bislang im Lager oder, wenn es dort keine Möglichkeit gab, vom Amt des Provost Marshall General ausgeübt worden war.
Im
Amt des Provost Marshall General sollten nun nur noch zensiert
werden an Funktionäre einer Regierungsbehörde oder
einer Hilfsorganisation gerichtete Post, ebenso Post, die von
jüngst erst gefangenen Kriegsgefangenen stammt, und Post, die
zweifelhafte, verdächtige oder anstößige Bemerkungen
enthält.[2]
Das Arbeitsverfahren in der New Yorker Zensurstelle war sehr zeitaufwendig. Für die Überwachung des Postverkehrs wurde für jeden Kriegsgefangenen eine Karteikarte angelegt. Grundlage dieser Karteikarte war das Formblatt OC Form N 72, das jeder Kriegsgefangene bei der Ankunft im Lager und bei jeder Verlegung in ein anderes Lager auszufüllen hatte. Es enthielt die persönlichen Daten und Angaben über die Angehörigen.[3]
Kriegsgefangenenbrief
mit US-Zensurstempel, 1944
Jeder Zensor war für bestimmte Kriegsgefangene zuständig und bekam einen eigenen Zensurstempel mit seiner eigenen Prüfernummer. Die Zensoren überwachten die Einhaltung der für den Postverkehr erlassenen Vorschriften, wie sie etwa in den Prisoner of War Circular zusammengefaßt waren. Zu beanstandende Textstellen wurden durch Schwärzen oder Herausschneiden unkenntlich gemacht. Verstieß der gesamte Text des Briefes gegen die Vorschriften, wurde er nicht befördert und vereinzelt zurückgeschickt.
In diese zurückgeschickten Briefe wurden Zettel eingelegt, aus denen der Grund der Ablehnung hervorging. Hier zwei Beispiele: Diese Mitteilung wird zurückgeschickt, weil sie Korrespondenz an einen Kriegsgefangenen von einer ihm unbekannten Person zu sein scheint, was verboten ist. Oder: Durchnumerieren von Briefen oder Hinweise auf Nummern von Briefen ist in Kriegsgefangenenpost verboten. Auch unzustellbare Post oder solche an Personen, die (noch) nicht als Kriegsgefangene bei der Zensurstelle gemeldet waren, wurden mit entsprechenden Einlegezetteln versehen zurückgeschickt.[4]
Außer der Überwachung der Einhaltung der Postvorschriften hatten die Zensoren die Kriegsgefangenenpost auch hinsichtlich kriegswichtiger Informationen durchzusehen und auszuwerten. Die Prüferstempel wurden auf der Vorderseite der Postsendungen, bei Briefen der Kriegsgefangenen an ihre Angehörigen auch auf der Rückseite angebracht. Zum Verschließen der geöffneten Briefe der Angehörigen wurden überwiegend Verschlußstreifen verwendet.
Nach der Durchsicht wurde die an die Kriegsgefangenen gerichtete Post von der Zensurstelle sortiert und an die jeweiligen Lager weitergeleitet.
Der District Postal Censor in Chicago bzw. New York überprüfte ebenfalls die Eilnachrichten (Express messages) und die über den Vatikan laufenden Eilnachrichten. Telegramme wurden im Lager und dann noch einmal vom Chief Cable Censor zensiert.[5] Pakete wurden im Lager in Anwesenheit des Empfängers geöffnet und der Inhalt überprüft. Dazu hieß es in dem Technical Manual von 1944: Die Überprüfung wird sorgfältig genug sein, um verborgene Artikel und Nachrichten zu entdecken, jedoch wird eine unnötige Zerstörung des Inhalts der Pakete vermieden.[6] Büchersendungen aus dem Ausland wurden bis zum 4. April 1944 beim District Postal Censor in Chicago bzw. New York überprüft, die aus dem Inland stammenden dagegen direkt im Lager. Da das New Yorker Amt jedoch mit der Menge ankommender Bücher überfordert war, wurde am 4. April 1944 auch die Überprüfung der aus dem Ausland kommenden Büchersendungen Aufgabe der Lager.[7]
Die Überlastung der Zensurstelle in New York machte sich freilich nicht nur bei den Büchersendungen, sondern was die Kriegsgefangenen weit mehr traf vor allem auch bei den Briefsendungen durch lange Verzögerungen bemerkbar. Bis März 1944 hatte sich in New York ein Rückstau von über einer Million Kriegsgefangenenbriefen angesammelt. Schuld war die starke Zunahme Zahl der Kriegsgefangenen in den USA und damit auch der Kriegsgefangenenpost, ohne daß dies beim Personal der Zensurbehörde angemessen berücksichtigt worden wäre.[8] Ende 1942 hatten 182 Mitarbeiter die Post von 1.881 Kriegsgefangenen bearbeitet. Im August 1944 waren 1.613 Personen für die Post von 243.870 Kriegsgefangenen zuständig.[9]
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[1]
Zahlen nach Boddenberg S. 136.
[2]
Zitat nach Jung, Hermann: Die deutschen Kriegsgefangenen in
amerikanischer Hand USA, München 1972 (Die Geschichte der
deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges Bd. X/2), S.
80 (Office of the Provost Marshall General, Prisoner of War
Operations, o.O. o.J. [1945], S. 447).
[3]
Boddenberg S. 136, nach Prisoner of War Circular No. 1 vom
24.9.1943, Punkt. 126.
[4]
Boddenberg S. 141142.
[5]
Technical Manual 19-500, Enemy Prisoners of War, Washington 1944,
Chap. 2, Section XIV und XV.
[6]
Office of the Provost Marshall General, Civilian Enemy Aliens and
Prisoners of War, 22. April 1942, Ziff. XV; Technical Manual
19-500, Chap. 2, Section XVI, Par. 98; daraus Zitat nach Jung S.
80 Anm. 319. Dagegen Boddenberg S. 136 mit Verweis auf das
Prisoner of War Circular No. 1 vom 24.9.1943, Punkt 152: Zensur
der Pakete durch die New Yorker Zensurstelle; ein Widerspruch,
den wir hier nicht klären können.
[7]
Prisoner of War Operations S. 451; Technical Manual 19-500, Chap.
2, Section XVII.
[8]
Prisoner of War Operations S. 452.
[9]
Zahlen nach Boddenberg S. 136.