Textbeispiel. Kapitel 29: Autos und Motorfahrzeuge
im Bilderwitz
Kapiteleinteilung
(mit Seitenzahlen der Druckversion)
1. Auto- und Motorradwitze der Epoche bis 1914
1.1 Die „Hohe Zeit“ für das Auto in der Karikatur 2
1.2 Auto und Reichtum 9
1.3 In der Stadt: Neue Fahrzeuge erobern die Straßen 14
1.4 Das Auto verdrängt das Pferd 19
1.5 Der Rausch der Geschwindigkeit und der Entfernung 23
1.6 Autos etc. verändern die zwischenmenschlichen Beziehungen 27
1.7 Unfälle mit Personenschaden 29
1.8 Unfälle und Begegnungen mit Haus- und anderen Tieren 43
1.9 Unfälle – Sach- und Blechschäden 46
1.10 Buster Brown und sein Auto Bubble 49
1.11 Mangelnde Übung der Fahrer 51
1.12 Belästigung durch Staub, Gestank und Lärm 52
1.13 „Aufrüstung“ auf der Straße 56
1.14 Weitere Witze über Reaktionen der Nicht-Autofahrer 58
1.15 Autos, Polizisten und Reglementierung 60
1.16 Die Autlerkleidung 65
1.17 Vielfältige Verwendungsmöglichkeiten für das Auto und neue Typen 68
1.18 Autos von der Steinzeit bis zur Renaissance 74
1.19 Autodesign 77
1.20 Slapstick 78
1.21 Frau am Steuer 78
1.22 Sonstige 79
1.23 Das Auto als Metapher in der politischen Karikatur 84
1.24 Das Auto hat sich durchgesetzt 87
1.25 Ausblick: Auto und Flugzeug 87
2. Auto- und Motorradwitze der
Epoche von 1918 bis ca. 1935
2.1 Nachleben der früheren Witze in den 1920er und 1930er Jahren 92
2.2 Auto und Reichtum 95
2.3 In der Stadt: Neue Fahrzeuge erobern die Straßen 100
2.4 Das Auto verdrängt das Pferd 105
2.5 Der Rausch der Geschwindigkeit und der Entfernung 106
2.6 Autos etc. verändern die zwischenmenschlichen Beziehungen 110
2.7 Unfälle mit Personenschaden 120
2.8 Unfälle und Begegnungen mit Haus- und anderen Tieren 124
2.9 Unfälle – Sach- und Blechschäden 127
2.11 Mangelnde Übung der Fahrer 129
2.12 Belästigung durch Staub, Gestank und Lärm 130
2.13 „Aufrüstung“ auf der Straße 132
2.14 Weitere Witze über Reaktionen der Nicht-Autofahrer 133
2.15 Autos, Polizisten und Reglementierung 135
2.17 Vielfältige Verwendungsmöglichkeiten für das Auto und neue Typen 138
2.18 Autos von der Steinzeit bis zur Renaissance 145
2.19 Autodesign 147
2.20 Slapstick 148
2.21 Frau am Steuer 148
2.22 Sonstige 156
2.23 Das Auto als Metapher in der politischen Karikatur 175
2.25 Auto und Flugzeug 176
3. Auto- und Motorradwitze im „Dritten Reich“ bis zum Kriegsausbruch 1939 177
4. Ausblick: Spätere
Autokarikaturen der 1980er Jahre aus „Kolbenfresser“ 182
Beispielkapitel: 1.9. Unfälle – Sach- und Blechschäden
(Bilderwitze im Ordner „25. Humor“ auf der DVD in kursiv gesetzt).
Manchmal bleibt es doch bei Sachschäden. Feststehende Gebäude sind den Autos natürlich im Weg und werden öfter in Mitleidenschaft gezogen. An Autofahrer denkt die Parvenüs-Gattin (die Frau des Neureichen, auch das ein beliebter Witztyp der Zeit, sie hat von Kultur und Geschichte keine Ahnung) angesichts der römischen Ruinen auf dem Forum Romanum in Rom: „Schade um die klassische Architektur! … das haben gewiß wieder diese Automobilisten getan!“ Ihr „Falscher Verdacht“ liegt vielleicht gar nicht so fern, wartet doch ganz in der Nähe ihr Chauffeur mit dem Auto auf sie. (1908, „Falscher Verdacht“, Hans Stubenrauch).[1]
Vielleicht war Italien wegen der engen Straßen in den Städten für Autler besonders gefährlich. Hermann Schlittgen lässt 1912 eine Auto fahrende Familie von der Italienreise zurückkommen. Sie werden von Bekannten gefragt: „Haben Sie auf Ihrer Italienreise auch Florenz berührt [man beachte dieses Wort!]?“ Die Antwort: „Was heißt berührt? Wegen Sachbeschädigung sind mer gestraft worden!“ (1912, „Die Autler“, Hermann Schlittgen).[2]
Bauernhäuser auf dem Land waren, wenn man den Karikaturen glauben sollte, besonders gefährdet. Melancholisch mit „Abschied“ ist die Zeichnung überschrieben, in der ein Auto auf das Haus zurast. Hier muss sich gleich jemand von seinem Haus verabschieden; die Bewohnerin, eine alte Frau, ergreift schon die Flucht, ebenso ihre Katze: „So leb denn wohl, du stilles Haus!“ (1903, „Abschied“, August v. Meissl).[3]
Einem Bauern haben die ständigen Crashs an sein Haus gereicht. Deshalb hat er das Dach umgebaut. Es hat nun eine elegant geschwungene Form, die Autos fahren wie über eine Brücke hinüber (1905, „Praktisch“, August v. Meissl).[4] Wohl nur in der Karikatur kann das Auto beim Crash das Haus sogar verschieben, und das auch noch bis auf das Grundstück des Nachbarn. Das „moderne Verkehrsopfer“ wird gefragt: „Du, Michel, warum hat Dich denn Dein Nachbar wegen Eigentumsstörung verklagt?“ – „Ach, die Malefiz-Autler hab’n mei’ Eckhäusl nach und nach auf sei’ Grundstück ’naufg’schobn!“ Das Bild zeigt das Malheur (1904, „Ein modernes Verkehrsopfer“, Hermann Stockmann).[5]
Der Bauer mochte auch auf eine lukrative Entschädigung für sein ramponiertes Haus hoffen. Da hat der Autofahrer ein großes Loch in die Hauswand gefahren, das Auto steht halb in der bäuerlichen Stube, in der die Bauernfamilie auf der Eckbank sitzt. Und in dieser Situation fragt der Fahrer: „Entschuldigen Sie, wo komme ich da nach Groß-Birkersdorf?“ Der Bauer: „Nach Groß-Birkersdorf? – Wissen S’ was? Mir scheint auf a’ bissel mehr oder weniger Kösten kimmt’s Ihna net an – da könna’ S’ glei’ dort rechts durch die andre Wand aussifahr’n!“ (1910, „Galgenhumor“, August Roeseler).[6]
Und in dem bebilderten Gedicht „Die Heimkehr“ erkennt der Autor sein Heimatdorf kaum mehr wieder, die durchfahrenden Autos haben sämtliche Häuser völlig verschoben, nur die Kirche steht noch am alten Platz, jedoch ohne Kirchturm. Und wie der orientierungslose Mann da so steht und versucht, sich zurechtzufinden, wird er selbst von einem Auto überfahren (1906, „Die Heimkehr“, Hermann Stockmann / Josef Josefini).[7]
In einer Zeichnung sehen wir eine Schneise der Verwüstung, die einmal eine Landstraße war: schiefe und geknickte Telegrafenmasten, die Drähte wirr herunterhängend. Einen umgeknickten Baum, einen Baumstumpf. Einen Autoreifen, einen einsamen Stiefel, eine verlorene Autlerbrille. Und natürlich darf auch eine Leiche nicht fehlen. Jemand fragt: „Hat hier ein Cyclon gewütet?“, und die Antwort: „Nein! Nur ein Automobil“ (1907, „Begreiflicher Irrtum“, Arpad Schmidhammer).[8]
Der französische
Zeichner Georges Colomb (Christoph) lässt in einem frühen Comic von ca. 1899
die Autofahrt seines Helden Cosinus – „Man
sieht ihn im automobilen Töff-Töff Strecken verschlingen und die Atmosphäre mit
dem ekelerregenden Gestank verbrannten Benzins verpesten...“ – im Unglück enden: als Fahranfänger hat er
falsch gelenkt, das Auto bleibt an einem Bordstein hängen, Cosinus samt seinem
Hund wird nach vorne aus dem Sitz geschleudert, was es ihm ermöglicht, „den
Haltbarkeitskoeffizienten von Schaufensterscheiben zu messen“, in welche es ihn
schleudert („L’idée fixe du savant Cosinus“,
Georges Colomb Christoph).[9]
Und auch beim nächsten Witz geht es wieder um die Rücksichtslosigkeit der Autofahrer. Der Autohändler preist dem Interessenten ein Auto mit einer doch sehr makabren Empfehlung an: „Dieser Motor hier entwickelt acht effektive Pferdekräfte – damit können Sie spielend den größten Möbelwagen umschmeißen!“ (1903, „Empfehlung“, Max Schaberschul).[10]
Auch für zwei Clowns, die mit Miniaturautos (etwa wie heute das Bobbycar, aber mit Motor) im Kreis fahren, geht die Sache nicht gut aus: Schließlich fahren sie aufeinander zu, es kracht, und sie sitzen neben den Trümmern ihrer Vehikel (1903, „Die Reise um die Welt per Automobil“, Carl Storch).[11]
„Galgenhumor“ beweist der Fahrer eines Unfallwagens, der gerade neben der Straße die Trümmer seines Autos zusammensucht und auf die Frage eines vorbeikommenden Autlers, was er denn da gerade mache, antwortet: „Wie Sie sehen – Automobilanz“ (1909, „Galgenhumor“, Henry Albrecht).[12]
Ganz gelassen reagiert auch der ältere Autler, der mit seinem Fahrzeug in den Teich gefahren ist, obwohl nur noch das Heck aus dem Wasser schaut. Und wobei sehen wir den verunglückten Fahrer? Wir lesen dazu: „Papa, der Onkel ist mit dem Automobil in den Teich gefahren!“ – „Hat er sich gerettet?“ – Ja, der Wagen guckt noch mit dem Verdeck aus dem Wasser – da sitzt er jetzt und angelt“ (1910, „Kaltblütig“, August Roeseler).[13]
War ein Auto durch einen Unfall (oder durch einen anderen Schaden) auf der Fahrt über Land havariert, dann blieb manchmal nur der Dorfschmied als Helfer. Max Schaberschul lässt zwei Autler mit einem reichlich ramponierten Fahrzeug zum Dorfschmied kommen: „Also nischt mehr zu machen? Wie sollen wir da nach Hause kommen, können Sie uns nicht wenigstens ein Paar Motorräder draus machen?“ (1904, „Die schwere Panne“, Max Schaberschul).[14] Hauptsache motorisiert, auch wenn man von der Technik keinen blassen Schimmer hat.
„Es war einmal…“, zu diesem Märchenanfang zeigt Henry Albrecht ein havariertes Auto in der Landschaft (1906, „Es war einmal“, Henry Albrecht).[15]
Die dauernden Pannen karikiert auch der Franzose Polondeau: Eine Wettfahrt zwischen Auto und Fahrrad geht zugunsten des letzteren aus. Obwohl das Auto eigentlich viel schneller ist – zwischendurch muss daher auch wieder einiges an Viehzeug dran glauben – siegt doch das Fahrrad, da Pannen (wir sehen den Fahrer unter dem Auto liegen) und Löcher in den Reifen das Auto ausbremsen (1900, „La bécane et l’auto“, Polondeau).[16]
Eduard Thöny zeigt uns ein Auto, das mit einer Panne auf der Straße liegengeblieben ist. Fahrer und Beifahrer sind unter dem Gefährt an der Arbeit. Was soll man dazu sagen? „Eine Postkutsche braucht freilich nicht 100 Kilometer in der Stunde fahren zu können, weil sich die nicht so lange unterwegs mit Reparaturen aufzuhalten hat“ (1904, „Vorzug der Automobile“, Eduard Thöny).[17]
Und Walter Caspari lässt den vorsichtigen Autler gleich sein Pferd in einem Anhänger mitführen, so kann er bei einer Panne auf das traditionelle Transportmittel umsteigen (1905, „Ein vorsichtiger Mann“, Walter Caspari).[18]
[1] „Fliegende Blätter“ 1908, 1. Hälfte, S. 177.
[2] „Fliegende Blätter“ 1912, 1. Hälfte, S. 182.
[3] „Fliegende Blätter“ 1903, 2. Hälfte, S. 163.
[4] „Fliegende Blätter“ 1905, 1. Hälfte, S. 113.
[5] „Fliegende Blätter“ 1904, 2. Hälfte, S. 312.
[6] „Fliegende Blätter“ 1910, 2. Hälfte, S. 125.
[7] „Fliegende Blätter“ 1906, 1. Hälfte, S.
128–129.
[8] „Jugend“ 12, 1907, Nr. 35, S. 773.
[9] Georges Colomb Christoph, L’idée
fixe du savant Cosinus, VIII. Chant, Paris 1899, Nachdruck 1982, siehe bei Höhne
http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/2003/geist-soz/1/html-1/2-auto/fr-a-10.html
und http://aulas.pierre.free.fr/chr_cos_11.html.
[10] „Fliegende Blätter“ 1903, 1. Hälfte, S. 142.
[11] „Fliegende Blätter“ 1903, 1. Hälfte, S.
197–198.
[12] „Fliegende Blätter“ 1909, 2. Hälfte, S. 91.
[13] „Fliegende Blätter“ 1910, 1. Hälfte, S. 247.
[14] „Das Schnauferl“ 1904, abgebildet bei Klima
S. 85.
[15] „Fliegende Blätter“ 1906, 1. Hälfte, S. 146.
[16] „Images d’Épinal“ (Épinal) 1900, bei Höhne http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/2003/geist-soz/1/html-1/2-auto/fr-a-11.html.
[17] „Simplicissimus“ 9, 1904, H. 12, S.
118.
[18] „Fliegende Blätter“ 1905, 2. Hälfte, S. 42.